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BANGYOUNG BAK

10.11. - 8.12.2017



Foto: Bangyoung Bak


Zur Ausstellung Bangyoung Bak im badische kunstforum, zu der die Bilder weit gereist sind: Bangyoung Bak, Jahrgang 1957, kommt aus Südkorea.

Was wissen wir eigentlich über Südkorea und südkoreanische Kunst? Welche südkoreanischen Künstler kennen wir, und welche hiesigen Künstler beschäftigen sich mit südkoreanischer oder fernöstlicher Kultur?

Zu den bekannteste unter den südkoreanischen Künstler zählt Nam June Paik, den wir aus den 70er oder 80er Jahren mit Installationen in Museen kennen,

z.B. die aufgetürmten, flimmernden Fernsehgeräte. Paik hat im Jahr 1957/58 auch in Freiburg Komposition studiert, die Musik war sein Ausgangspunkt, bevor er sich mit Medienkunst beschäftigte.

Auf der documenta 13 im Jahr 2012 hat Haegue Yang ausgestellt. Sie erinnern sich vielleicht an die Jalousien im stillgelegten Kulturbahnhof, die in ungleichem Rhythmus auf und ab fuhren. Auf der diesjährigen documenta 14 waren die großen bunten, runden Bündel, die Bottari, von Kimsooja zu sehen, Zeichen für Ortswechsel, das Reisen und im weiteren Sinn auch Flucht und Migration.

Hier vor Ort fällt uns auch Keummi Paik-Bauermeister mit ihren freihändig gezogenen Linienbildern ein oder Cristina Ohlmer, die sich mit dem Ritual der Papierkleidung als letztes Gewand für Verstorbene in Taiwan beschäftigt hat. Im ZKM thematisiert jüngst eine Ausstellung, mit Beteiligung asiatischer Künstler, die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Wahrnehmung des Menschen.

Und in Südkorea? In der koreanischen Geschichte gab es zahlreiche Besatzungen und Herrschaftswechsel, verbunden mit Unterdrückung und starken kulturellen Einflüssen von außen (Zusammenfassung der jüngeren Geschichte (Süd-)Koreas im Anhang). Demzufolge beschäftigen sich Künstler und Kuratoren in der zeitgenössischen Kunst auch mit Themen wie nationale Identität, Globalisierung, Digitalisierung und technischer Fortschritt. Einige verwenden neuste Technologien und reflektieren diese zugleich. Die Möglichkeit der künstlichen Intelligenz und von Robotern stößt auf großes Interesse in Südkorea. Ob man diese Themen als neue Strömung bezeichnen kann, sei zunächst als These dahingestellt.

Bangyoung Baks Kunst ist dazu eine klare Gegenbewegung: Besinnung auf die traditionelle koreanische Technik der Kalligraphie, alte chinesische Schriftzeichen, Rückbezug auf eine Volkskunst und auf den Mensch. Daraus entwickelt er einen eigenen Zeichenkosmos im doppelten Sinn: zeichnen und Zeichen.

Der Anfang

Begonnen hat alles damit, dass er schon in der frühen Kindheit in Hanhak in Kalligraphie alter chinesischer Schrift unterrichtet wurde, was einige Zeit später von der japanischen Besatzungsmacht sehr eingeschränkt wurde. Bangyoung Bak beherrscht vier Schriftarten: die Standardschrift, die Siegelschrift, die Kanzeleischrift und die Kursivschrift. Auf der Highschool hat er den

1. Platz im landesweiten Nationalen Kalligraphie Wettbewerb gewonnen.

Welches Material verwendet der Künstler?

Bangyoung Bak malt/zeichnet mit Tusche auf HANJI, ein traditionelles koreanisches Papier, das aus der Rinde des Maulbeerbaums gewonnen wird. Es wird außerdem für Türen aus Holz und Papier verwendet. Für diese Ausstellung wurden die Papiere auf Leinwände aufgezogen. Die Tusche wird mit einem sehr dicken, runden Pinsel auf das Hanji aufgetragen, dabei entsteht der markante Duktus zwischen lasierendem und deckendem Auftrag, der zum Teil dreidimensional wirkt. Um die Tusche einzufärben, verwendet Bangyoung Bak – und das ist in Korea sonst nicht zu finden -Puder (Pigment?) aus Kupfer, Silber, Gold und Perlmutt. Es entstehen unregelmäßige erdige Tönungen, mal mehr ins gelbliche, mal leicht rötlichschwarz oder mit schimmerndem Reflex, Färbungen mit Naturrohstoffen, die zugleich kostbar sind.

Was sehen wir? Was verstehen wir?

In dieser Ausstellung liegt der Schwerpunkt auf den Kalligraphien mit Schriftzeichen. Am Beispiel des Motivs der Einladungskarte soll die Verwendung der Schriftzeichen kurz erläutert werden. Der Titel des Bildes lautet ‚History‘ – Geschichte. Erkennbare Schriftzeichen (ohne Gewähr) sind: Schreiben, Geschichte/Menschen/fragen/OstWestSüdNord) /Regierung/3 erscheinen/Politik/Staat/Bürger/Krieg/Frieden/ Migration/ Flüchtlinge… die letzte Zeile ist Ihrer Deutung überlassen, zu sehen sind sitzend ein Mann, eine Frau, daneben ein Kreuz und am Ende Mann und Frau vereint. Die Schriftzeichen sind aber nicht etwa in koreanischer Schrift geschrieben. Südkoreanischen Freunden von mir konnten nur wenige Wörter lesen oder entziffern. Ein taiwanesischer Bekannter, chinesisch-sprachig, hat etwas mehr herausgefunden. Südkoreaner können diese Schrift also auch nicht ohne weiteres lesen. Es handelt sich zum einen um eine alte chinesische Schriftart, darüber hinaus wandelt der Künstler die Schriftzeichen aber auch ab. Ähnlich dem Ursprung der chinesischen Schrift, die zurückgeht auf Piktogramme (symbolhafte Bildzeichen), nimmt er mit seinen Abwandlungen Rückbezug auf die Geschichte der chinesischen Schrift. So ist

z.B. in einer der Kalligraphien erst auf dem zweiten Blick ein Schriftzeichen als Kopf eines Ochsen zu erkennen.

Die Konsequenz daraus ist, dass ein Betrachter mit dem Hintergrund der europäischen Kultur, die Möglichkeit hat, die Bildzeichen zu interpretieren und die eigenen Assoziationen spielen zu lassen. Daraus und mit Hilfe der Bildtitel ­wie z.B. Wind, Fortune, Rest with Nature, New Years Day, Long Life, The Way Today -können wir Sinnzusammenhänge herstellen, Teile entschlüsseln, und vermuten, wie Bangyoung Bak die Schriftzeichen verändert.

Entwicklung der Technik

Zur Kalligraphie als Ausdrucksmittel seiner Kunst ist Bangyoung Bak aber erst in den 90er Jahren gekommen. Zunächst hatte er an der HONG-IK Universität in Seoul Westliche Malerei studiert und mit dem Master of Fine Arts abgeschlossen. Als dann der japanische Einfluss des Minimalismus in Korea stark zunahm, schloss er sich 1985 der Künstlergruppe Nanjidoo an, die vor allem installativ arbeitete und sich mit Religionen und Themen der Spiritualität beschäftigte. Nach einiger Zeit wandte er sich aber wieder von der Gruppe ab. Er ging dann von 1992-1995 für drei Jahre nach New York an die Arts Student League of New York. Hier entdeckte er für sich die traditionelle Kalligraphie wieder und hat begonnen mit Tusche auf Hanji-Papier zu arbeiten.

Entscheidend beim Pinselstrich ist dabei die Technik des Hoek. Das Wort Hoek setzt sich im Chinesischen und im Koreanischen aus zwei Zeichen zusammen, das erste bedeutet to draw/paint, also zeichnen/malen und das zweite sword/Schwert. Hoek nennt sich also der Pinselstrich, der wie mit einem Schwert ausgeführt wird, impulsiv, energetisch, kraftvoll und entschieden.

Bangyoung Bak betont, dass sich die östliche Kalligraphie von der westlichen Kalligraphie (wie etwa in Bibelabschriften vor dem Buchdruck) darin unterscheidet, dass sie nicht allein auf die technische Perfektion abzielt, sondern immer auch mit einer besonderen geistigen Haltung verbunden ist. Er sagt dazu: „Eastern Calligraphy is the art that must embody the spirit, nature, discipline, personality and emotion of the artist together at once in their hoek.” Es bedarf also des Spirits, der Natur, der Disziplin, der Persönlichkeit und der Emotionen des Künstlers, die sich im Moment des Pinselstrichs darin vereinen.

Wo haben die Tiermotive ihren Ursprung?

Neben den Schriftzeichen finden wir noch andere Bildmotive, die in dieser Ausstellung nur zum Teil zu sehen sind. Dazu zählen Tiere wie Pferd, Schaf, Hahn, Fisch, Hund, auch der Phoenix und weiterhin Blumen wie Straucheibisch – Nationalblume Koreas -Chrysanthemen und Orchideen oder rankende Pflanzen. Die Tiermotive gehen auf die Tradition der Minhwa zurück. Minhwa ist eine Volkskunst der Joseon-Dynastie, die Kunst der „einfachen Leute“, die gemalte Tiermotive als Glücksbringer und Schützer an Türen und Wände anbrachten. So steht der Drache z.B. als Schutz vor dem Bösen, der Hahn für Erfolg, der Tiger für Schutz vor Krankheit oder Hunger etc. Der Fisch nimmt eine Sonderrolle ein, so steht er nicht nur für die Tradition des Fischfangs und Wohlstand, sondern ist zugleich in verschiedenen Glaubensrichtungen bedeutsam, wie dem Christentum, dem Buddhismus und dem Konfuzianismus.

Das Phänomen der Natur ist die Basis, auf die sich Bak bezieht. Aufgewachsen in der Natur und sein Leben lang naturnah gelebt, hat er sich von östlichen Philosophien angezogen gefühlt. Ein Studium der östlichen Philosophie (dazu zählen z.B. Konfuzianismus, Taoismus, Buddhismus) schloss Bangyoung Bak 2009 mit Promotion/PhD ab. Aber auch in der traditionellen koreanischen Malerei spielt die Natur, Landschaften, Berge und Flussläufe eine große Rolle.

Mann und Frau – der Mensch

Ein weiteres häufiges Motiv bei Bangyoung Bak ist das des Menschen, insbesondere Mann und Frau, einzeln oder als Paar. Das Thema Beziehung und Liebe spielen eine Rolle, tanzende Paare sind zu sehen, immer in Bewegung. Bangyoung Bak lässt sich vor allem vom Augenblick und dem Unterbewussten leiten, wie er sagt, so dass die Motive aus dem Impuls heraus entstehen. Sein Interesse bei dieser Arbeitsweise gilt dabei auch der Erforschung des menschlichen Wesens und das, was ihn grundlegend bewegt, Erkenntnis und Selbsterkenntnis als Teil seiner Kunst. Er erforscht die Wünsche und Bedürfnisse des Menschen, die in der koreanischen Kultur wenig gezeigt werden.

Performances und Sonderform

Was wir hier in der Ausstellung sehen können, sind noch relativ kleine Arbeiten, obwohl sie schon wie beim Bild ‚History‘ 1,30 x 2 m messen. Sehr beeindruckend sind die Performances, in denen Bangyoung Bak live malt und seine Arbeitsweise sichtbar wird. Auf Youtube lässt sich das ein oder andere anschauen. Er malt und zeichnet auf Papierbahnen, die nicht selten eine Länge von 5 oder 6 m x 3 m haben oder er malt direkt auf eine Galeriewand, innen wie außen.

Markant auch die beiden Bilder im Nachbarraum, Kalligraphien, aber in englischer Sprache. ‚I see you‘ und ‚Fox!!!‘ Der Künstler schlägt eine Brücke zwischen den Kulturen, er verbindet westliche Sprache mit östlicher Kalligrafie und es eröffnen sich nochmals mehrere Bedeutungsebenen.

Fazit

Es ist wirklich ein Glücksfall, dass ein so wichtiger und bekannter südkoreanischer Künstler im Badischen Kunstforum ausstellt. Seine Arbeiten sind auch in Südkorea außergewöhnlich. Bangyoung Bak bewahrt beim Malen in der traditionellen koreanischen Technik mit Tusche auf Hanji-Papier 3 Aspekte:

1. Die wahre Bedeutung des Pinselstrichs 'Hoek', 2. die Philosophie der östlichen Kalligraphie und 3. die Verwendung chinesischer Schriftzeichen in Korea.

Das, wovon die Bilder aber leben, ist die Leichtigkeit, die diese Bilder durchdringt, der ausdrucksstarke Schwung, die Kraft, die Dynamik, die in seinem ganz eigenen expressiven Stil von seinen Menschenfiguren, den Tieren und Pflanzen und selbst von den Schriftzeichen ausgeht, so ganz gegensätzlich zur Welt der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz. Auch etwas zum Nachdenken.

Paula Seeger

Dipl. Kult.wiss

paula.seeger@gmx.net

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