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Klaus Staeck

Plakatkunst

Dauer der Ausstellung 10.2. - 3.3.2017

Einführung Franz Armin Morat



Alle Foto: Klaus Staeck


„Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ fragte der gerade etwas über 30-jährige Staeck im Dürer-Jahr 1971. Abrecht Dürers aus dem Jahr 1514 stammende Kohlezeichnung „Bildnis der Mutter“ hatte ihm als Vorbild für sein Plakat gedient. Eine alte, vom Leben gezeichnete Frau hat auf dem Wohnungsmarkt eben nicht die besten Karten, die Botschaft wurde verstanden, ebenso wie ein Jahr später: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen.“ Auslöser war hier der Bundestagswahlkampf, in welchem die CDU damit zu punkten versuchte, dass der Kleinbürger bei einem Wahlsieg der SPD um sein Eigenheim fürchten müsse. Es wurde zu einem der bekanntesten und mit einer Druckauflage von 75000 Exemplaren auch meistverkauften Motive und ist ebenfalls in Ebringen zu sehen.
Was ist dieser Staeck, der ja auch noch bis 2012 der Akademie der Künste in Berlin als Präsident vorstand? Ein Künstler, ein Politiker, ein Propagandist? Franz Armin Morat, Kunstgeschichtler, Philosoph, Kunstsammler und Mäzen aus Freiburg, griff für seine Einordnung Staecks bei der Ausstellungseröffnung am Freitagabend in Ebringen auf „Das Auge und der Geist“, einen Text des französischen Phänomenologen Maurice Merleau-Ponty über das sprachliche und das anschauliche Denken, zurück. Das anschauliche Denken sei auf die Sprache angewiesen, müsse auf sie zurückgreifen. Und in genau dieser „Zwickmühle“ entwickle Staeck mit den Plakaten, bei denen meist kurze Textsequenzen eine neue Sichtweise auf das Gesehene aufdrängen, seine Virtuosität.
Aber Staeck kommt auch ganz ohne Text aus. In seiner Fassung vom „Floß der Medusa“, einem Gemälde des französischen Romantikers Théodore Géricault, lässt er einfach die Europaflagge am Firmament hinter dem Floß der Verzweifelten auftauchen. Und schon werden aus den Schiffbrüchigen, die eigentlich an ein Ereignis aus dem Jahr 1816 erinnern, für den Betrachter die Flüchtlinge der Gegenwart, die ihre Überfahrten in den zurückliegenden Jahren so oft mit ihrem Leben bezahlen mussten. Und im gleichen Raum sind die apokalyptischen Reiter Albrecht Dürers heute bei Staeck Amazon, Google und Facebook.
Was einst die CDU für den zum linken Flügel der SPD zu zählenden Staeck war, scheint heute die AfD geworden zu sein. „Leitkultur“ heißt sein Plakat, das die AfD-Politiker Frauke Petry und Alexander Gauland als Eltern blonder Kinder in einer Ästhetik zeigt, die unweigerlich Assoziationen an den Nationalsozialismus auslöst. Schon Anfang der 90er Jahre sah Staeck neue Gefahren von rechts kommen, wie der kleine, auf einer brennenden Streichholzschachtel ruhende Gartenzwerg einen Meter weiter suggeriert. Und schon in den 70er Jahren war sein Schreckgespenst immer wieder die drohende Zerstörung des Planeten durch den schonungslosen Umgang mit ihm. „Und neues Leben blüht aus den Ruinen“, betextet Staeck in Anlehnung an Schiller einen Baum, der sich seinen Weg durch ein Gewirr von mehrspurigen Straßen sucht.
Nicht immer kämpft Staeck mit der feinen Klinge. Eigentlich sprechen seine auf einem Plakat zusammengestellten Bild-Überschriften ja schon für sich selbst: „Ponto-Mord: 1. Terrormädchen gefaßt“ ist dort etwa zu lesen. Spätestens der Plakat-Titel „Rufmord ist ein völlig legales Verbrechen“ hätte als Hinweis gereicht, worauf Staeck hinauswill. Aber bei ihm muss dann eben noch ein: „Der Bildgerichtshof hat entschieden“ davor. Und Plakate wie jenes zum Grünen Punkt sind fast nur noch politische Botschaft und kaum noch Kunst.
Es ist das Wechselspiel von Überraschung und der dann doch recht schnell folgenden Erkenntnis, das die Werke von Klaus Staeck ausmacht. Insofern kann er auch in Verwandtschaft zu Karikaturisten gesehen werden. Und für diese Art von Kunstwerken hat er sich über all die Jahre und mehr als 300 Plakate einen wachen Blick erhalten.

Aus "Der Sonntag" von Otto Schnekenburger


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