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Religion und Realität

acht künstlerische Positionen


David Baur
Elisabeth Bereznicki
Tobias Eder
Ralf Ehmann
Mona Hakimi-Schüler
Thomas Rissler
Michael Schniedermeier
Thomas Schroth


Einführung:

Astrid Guderian, StRn

Dauer der Ausstellung 27. Februar bis 6. April 2009


Sehr geehrte Damen und Herren,

mein besonderer Gruß geht zunächst an die anwesenden Künstlerinnen und Künstler.

Heute Abend können wir eine Ausstellung zum Thema „Religion und Realität“ eröffnen, in der acht Künstler auf inhaltlich und technisch unterschiedliche Weise Positionen zu diesem Thema einnehmen. Bei der Themenfindung haben wir - das Kuratorium - unter Realität den Stellenwert von Religion verstanden, den sie im privaten, öffentlichen und globalen Raum einnehmen kann.

Das Thema „Religion“ rückt zunehmend durch die Diskussion um die Migrationsproblematik in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.

Religion ist leider noch heute Auslöser vieler sogenannter Religionskriege, die global auf einen „Kampf der Kulturen “ (Samuel Phillips Huntington) hinsteuern.

In jüngster Zeit griffen zwei Ausstellungen das Thema auf, das ZKM in Karlsruhe mit „Medium Religion“ und die Erzdiözese Freiburg mit „Gottesraum“ im Morat-Institut.

Ich werde jetzt die Werke der einzelnen Künstler vor allem im Hinblick auf ihre inhaltlichen Schwerpunkte kurz vorstellen. Leider ist ein Rundgang dabei nicht möglich.

Elisabeth Bereznicki, Zart-Bitter, Installation

Foto: Elisabeth Bereznicki

Elisabeth Bereznicki setzt in ihrer Installation „Zart-Bitter“ aus dem Jahre 2008 ein auf Aluminium mit Öl gemaltes Selbstportrait als Kommunionkind in Beziehung zu einem Kreuz aus Zartbitterschokolade und einer Sammlung von Heiligenbildchen. Mit dieser Installation ihrer Erstkommunion hält sie den Tag ihrer rituellen Aufnahme in die Gemeinschaft aller mit Gott über die Hostie kommunizierenden Gläubigen bildhaft fest. Wesen und Sinn des Rituals als Grundlage jeder Religion werden deutlich: Das Ritual kommt aus der Tradition, es fixiert Inhalte und äußere Erscheinungsformen (in Wortformeln, Handlungsweisen, Kleiderregelungen). Durch die Wiederholung des inhaltlich und formal Gleichbleibenden ist eine hohe Wiedererkennbarkeit des Rituals garantiert und eine Identifikation mit ihm erleichtert. Das Kreuz ist als das Symbol für die christliche Religion zu verstehen. Auch die in der Vitrine sich spiegelnden standardisierten Heiligenbildchen thematisieren die Wiederholbarkeit: Im Ritual wird durch die Wiederholung festgelegter Formalien das Verrinnen der Zeit aufgehalten, zum Beispiel bei der Gebetsmühle und beim Rosenkranz. Ein Zustand, der sich nicht verändert, der fixiert ist, vergeht nicht, er wird zum ewig gültigen absoluten Zustand erhoben. Der Mensch, der sich auf das Ritual einlässt, erfährt die Auflösung seiner Individualität in einer Gemeinschaft der Gläubigen.

Über das Ritual gewinnt die Religion ihre Macht. Der Einzelne kann sich an das Göttliche annähern und in einen Glückszustand versetzt werden.

Entwicklungspsychologisch gesehen prägen die Erfahrungen der Kindheit – hier die erste Heilige Kommunion – und die religiöse Erziehung im Elternhaus die späteren seelisch-geistigen Bedürfnisse des Erwachsenen.

Man könnte darüber nachdenken, ob hinter der Darstellung des Kreuzes als Bitterschokoladen-Süßigkeit nur eine kritische Reflektion über “Zuckerbrot und Peitsche/ Sünde und Paradies“ oder gar ein Tabubruch angedeutet ist. Diese Installation überzeugt durch ihre dichte künstlerische Aussage zum Thema „Ritual und Religion“.

Tobias Eder, St. Leon–Roter Kreuz, Fotoinstallation auf Leinwand

Foto: Tobias Eder

Tobias Eder, von Hause aus Bildhauer, kommt zusammen mit seinem Bruder Mathias aus der Bildhauerfamilie Leonhard Eder, über die Professor Hofstätter vor kurzem eine Gemeinschaftsausstellung in Rheinfelden eröffnete. Tobias Eder präsentiert hier keine bildhauerische Arbeit, sondern ein farbiges „Polyptichon“ , einen Fotodruck auf Stoff, die Verkleinerung eines Altarbildes. Unterschiedliche Fotografien von Weltereignissen, Landschaften und architektonischen Bauwerken fügt der Künstler in eine große Kreuzform ein. Sie treten in Beziehung zu dem Tafelbild einer Kreuzigungsdarstellung aus dem Jahre 1490 – es befindet sich im Augustinermuseum in Freiburg – das zentral das große Bildkreuz beherrscht. Die additiven Bildreihungen liefern uns eine Art Stoffsammlung zu einer Kernfrage dieser Ausstellung: Hat das Kreuz einen Platz in der Realität des heutigen Lebens? Eders Werk bietet dem Betrachter vielfältige Assoziationen zu dieser Fragestellung an.

Thomas Rissler, Aus der Serie - HOLYLAND - , Farbholzschnitte

Foto: Thomas Rissler

Thomas Rissler, Steinbildhauer und Holzschneider, präsentiert in „Holyland“ von 2006/07 in der selten gewordenen Technik des Holzschnittes dreifarbige Drucke. Seine Bildvorlagen dazu kommen über die modernen Medien, sie werden am PC überarbeitet und in Videos zusammengefügt oder als Bilderserien in Blockformen gehängt. Das Thema des ZKM „Religion als Medium“ wird von ihm sowohl inhaltlich als auch aufgrund seines Arbeitsprozesses aufgegriffen. Wenn religiöse Bilder weltweit verbreitet werden und somit der private Andachtsraum für die Welt geöffnet wird, ist das Tabu verletzt, das das Religiöse vor Profanisierung schützt. Dem religiösen Kontext entrissen, werden die Holzschnitte in der Überschneidung religiöser Darstellungen mit Bildern der Alltagskultur und häufig profanen, provokanten Textparolen zu Collagen zusammengefügt.

David Baur,Zarenschwur, Mischtechnik auf Leinwand

Foto: David Baur

David Baur, sammelt Fotos (z.B. von militärischen Operationen) und nimmt sie als Vorlagen für seine großformatigen in Acryl und Graphit gemalten Bilder. In dem zweigeteilten Werk „Der Zarenschwur“ von 2007 mit den zaristischen Reitersoldaten, die ein Bild halten, ist der Missbrauch von Religion thematisiert, mit den Worten des Künstlers: „ Das Einschwören der Soldaten vor der bevorstehenden Schlacht auf das ‘Götzenbild‘ des Herrschers.“ Immer, wenn Religion auch Staatsreligion ist, wächst die Gefahr, dass der Krieg ein heiliger Krieg wird und der oberste Kriegsherr ein verlängerter Arm Gottes, dem der Einzelne bedingungslosen Gehorsam schuldet. Über den Inhalt des Bildes hinaus möchte ich Sie auf dessen besondere malerische Qualität aufmerksam machen.

Michael Schniedermeier, Würdenträger, Bronzeguss

Foto: Michael Schniedermeier

In der eindrucksvollen Bronzeplastik von Michael Schniedermeier – sie steht in der kunstgeschichtlichen Tradition der Papstdarstellungen von Velasquez und Francis Bacon – wird die Allmacht des religiösen Würdenträgers spürbar. Der mahnende, fordernde Zeigefinger, auf den auch Kopf, Blick und Körperhaltung in starker Konzentration ausgerichtet sind, steht für die Autorität des Papstes. Seine Stärke wächst aus der gelebten Einheit von Funktion und Spiritualität. Alter und Nacktheit verstärken die Ausdruckskraft dieser Figur, die fraglos eine religiöse und moralische Instanz ist.

Ralf Ehmann, Schächer, Skulptur

Foto: Ralf Ehmann

Der Torso „Schächer“ von Ralf Ehmann, in Jura-Kalk gehauen, thematisiert einen Stoff aus der Bibel: In der Figur des Schächers, des Räubers, werden für das Christentum wesentliche Glaubensinhalte konkret: Leiden, Reue, Erbarmen und Erlösung.

Mona Hakimi - Schüler, Selbstbildnisse, Öl auf Leinwand

Foto: Mona Hakimi - Schüler

Mona Hakimi – Schüler beschreibt in ihrer Serie „Selbstbildnisse“ von 2007 den Weg einer Mohammedanerin in die Migration nach Westeuropa.

Die traditionelle Kleidung des Islam, der Tschador, reduziert die Individualität der Trägerin auf Gesicht und Augenausdruck. Die Frau im Tschador - die Religion setzt religiöse, geistige, gesellschaftliche und kulturelle Normen – fügt sich ein in eine für die islamische Kultur charakteristische Kachelwand. Da jede bildliche Darstellung Allahs untersagt ist, nähert man sich in dieser Religion dem Göttlichen auf geistig intellektuelle Weise: Man verwendet unter anderem mit Hilfe mathematischer Kenntnisse alle nur möglichen Formen, mit denen sich Flächen parkettieren lassen. Die Religion ist hier identitätsstiftend.

Im mittleren Bild tritt uns eine selbstbewusste, modisch elegant gekleidete Frau entgegen. Das attraktiv geschlungene Kopftuch und die entsprechend getönte luxuriöse Brille stimmen sich farblich auf die rosafarbene Kleidung und den ebenfalls angepassten Hintergrund ab. Angesichts der Kopftuchdiskussionen stellt sich die Frage: Ist das Kopftuch noch Ausdruck religiöser Überzeugung oder schon modisches Accessoire?

Im rechten Bild ist die Frau im Westen angekommen. Das Haar fällt lockig offen, der weite Ausschnitt gibt Hals- und Schulteransätze frei und bietet Platz für Schmuck. Wieder interpretiert der Bildgrund die veränderte persönliche und gesellschaftliche Position. Die kostbaren BISAZZA-Fliesen des mittleren Bildes mit ihren formal einfachen kleinen rosa und blauen Quadraten sind im letzten Bild ersetzt durch eine helle, zartfarbige Tapete mit schwebend verteilten Ornamenten: Ein Hintergrund ,vor dem sich die Persönlichkeit entfalten kann.

Ist die junge Frau wirklich im Westen angekommen? Der Blick ihrer Augen scheint sich fast nicht verändert zu haben.

Thomas Schroth, Crossover, Farbfotografien

Foto: Thomas Schroth

„Kreuzweise“ von Thomas Schroth dokumentiert eine sakrale Inszenierung des Künstlers. Im Umgang mit dem Kreuz, dem Ur-Symbol christlicher Ikonographie, erlaubt sich Schroth große künstlerische Freiheiten: Das Kreuz kann in umgekehrter Form errichtet werden, die Christusfigur durch den nackten Körper des Künstlers und dessen individuelle Aussagen ersetzt werden. Dieser unkonventionelle Kontext, in dem das Kreuzsymbol auftritt, provoziert kritisches Denken und könnte beinahe als Tabubruch verstanden werden. In unserer aufgeklärten Zeit ist die mediale Verwendung christlicher Symbole mit dem Ziel, maximale Aufmerksamkeit zu erregen jedoch längst kein Tabubruch mehr. In der Realität der Konsumgesellschaft werden die tradierten Formen der Religion frei verfügbar. Im Islam ist ein solcher Umgang mit Religion Gotteslästerung.

Lassen Sie mich abschließend nochmals die verschiedenen Themen zusammenfassen, die hier in unterschiedlichsten künstlerischen Techniken dargestellt wurden:

Religion und Ritual

Das Kreuz in der Realität

Religion und Medien

Missbrauch von Religion

Religion und ihre Repräsentanten

Religiöse Inhalte des Christentums

Migration und ihre Probleme

Kreuz und Tabu.

Zur künstlerischen Gestaltung der Werke habe ich mich nur am Rande geäußert und mich im wesentlichen auf ihre inhaltlichen Aussagen konzentriert.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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